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Über Diabetes und die Arbeit als Pflegebereichsleitung

Ronny Sawallisch ist Pflegebereichsleitung auf einer internen Station im Bezirkskrankenhaus St. Johann in Tirol. Seit insgesamt 20 Jahren arbeitet er als Diplomkrankenpfleger im Bereich der Inneren Medizin. Vor 10 Jahren hat er die Ausbildung zum Diabetesberater absolviert und leitet seit fast fünf Jahren eine von drei Internen Abteilungen. In diesem Interview spricht er über seine Aufgaben als Pflegebereichsleitung, sein persönliches Spezialgebiet und weshalb er darin täglich aufs Neue seine Berufung sieht. 

Was macht man eigentlich als Pflegebereichsleitung?

Als Pflegebereichsleitung trage ich die Verantwortung der Station. Ich führe meine Mitarbeiter im beruflichen Alltag und bin das Verbindungsglied zwischen dem Pflegepersonal, dem interdisziplinären Team, der Pflegedienstleitung, der Patienten sowie der Angehörigen. Die Stationsleitung beantwortet pflegerische und organisatorische Fragen, die über den Kontakt zwischen dem Pflegepersonal und dem Patienten oder Angehörigen hinausgehen.

Es muss ein reibungsloser Ablauf der Pflegeprozesse und die Pflegequalität im eigenen Bereich gesichert sein. Das ist mit einer sehr großen Verantwortung, Sorgfalt und Zuverlässigkeit verbunden. Eine weitere Aufgabe ist die Planung und Organisation des Stationsalltags inklusive der Qualitätssicherung und dem Bestellwesen. Auch die Personalplanung, das Management der Fort- und Weiterbildungsplanung, die Koordination der Dienste, der Personaleinarbeitung sowie die Dienst- und Urlaubsplangestaltung zählt zu meinem Aufgabengebiet. Je nach Fähigkeit, Qualifikation und Leistungsfähigkeit müssen die Mitarbeiter optimal eingesetzt werden. Ebenso müssen strategische Vorgaben des Hauses umgesetzt werden. Aktuell muss die Personalplanung fast täglich angepasst werden. Dies erfolgt einerseits aufgrund von vermehrt gemeldeten Krankenständen, durch gemeldete Schwangerschaften und Personalabgang, andererseits durch die veränderte Berufsausbildung. In Zukunft werden wesentlich mehr Pflegefachassistenten eingestellt, was für mich eine Herausforderung in der Dienstplangestaltung darstellt. Die pflegerischen Aufgabengebiete eines Diplomkrankenpflegers und die eines Pflegefachassistenten unterscheiden sich rechtlich, trotzdem muss die bestmögliche Versorgung des Patienten aufrechterhalten werden. 

Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?

2001, mit 17 Jahren, habe ich mich gefragt, was ich in meinem Leben machen möchte und wohin mich mein Weg führen soll. Ich wollte einen Beruf erlernen mit Zukunftsperspektiven, mit Aufstiegschancen und damals war schon klar, es muss ein sicherer Arbeitsplatz sein. Kranke Menschen wird es immer geben und um diese versorgen zu können, muss es immer ausreichend Krankenpflegepersonal geben. Somit habe ich meine Ausbildung zum Diplomkrankenpfleger 2001 in Quedlinburg in Deutschland begonnen. Nach meinem Abschluss 2004 habe ich beschlossen, auch meinen Wohnsitz nach Österreich zu verlegen und habe mir hier beruflich wie privat mein Leben aufgebaut. In meiner Familie gibt es niemanden, der schon zuvor im Pflegebereich gearbeitet hat. Die Leidenschaft für den Beruf hat sich erst im Laufe der Jahre entwickelt. Ich arbeite seit 20 Jahren in der Akutpflege im Krankenhaus und habe meine Berufsentscheidung nie bereut. Auch heute gehe ich noch gerne arbeiten, obwohl man täglich mit neuen Herausforderungen und schwierigen Situationen konfrontiert wird.

 

Was ist für Sie das Spannendste oder Interessanteste an Ihrem Beruf?

Kein Tag ist wie der andere! Der Pflegeberuf und die Medizin gehen mit dem Wandel der Zeit und verändern sich ständig auf die neuesten Erkenntnisse. Ich persönlich habe mich auf den Diabetes mellitus als mein Fachgebiet spezialisiert. Hier hat sich vor allem in den letzten 10 Jahren extrem viel verändert im Gebiet der Insulinpumpentherapie und der Technologie zur kontinuierlichen Glukosemessung. Allgemein gesagt kann man Patienten, auch durch verbesserte medizinische Möglichkeiten, immer mehr Möglichkeiten anbieten. Die Medizin bleibt nie im Stillstand! Für das Personal ist es eine weitere Herausforderung, mit der Zeit zu gehen, neue Behandlungsmöglichkeiten zu erlernen und diese auch im Alltag zu integrieren. 

 

Warum haben Sie sich für die Innere Medizin entschieden?

Ich habe mein erstes Stellenangebot in der Internen Medizin bekommen und angenommen. Seither habe ich immer in diesem Fachgebiet gearbeitet. Es ist ein medizinisches Gebiet mit einem sehr großen Spektrum an verschiedenen Krankheitsbildern und somit auch in der Pflege ein sehr anspruchsvolles Aufgabengebiet. Es bietet viele Fort- und- Weiterbildungsmöglichkeiten. Für mich persönlich ist die Innere Medizin die „Königsklasse“ der Medizin.

 

Was sind die häufigsten Krankheitsbilder auf der internen Station?

Die Innere Medizin ist das Kerngebiet der Medizin und umfasst ein riesiges Behandlungsspektrum. Zu den meist behandelten Erkrankungen zählen Krankheitsbilder des Herz-Kreislaufsystems z.B. Schlaganfälle, Herzinfarkte, Thrombosen, Erkrankungen des Magen-Darmtraktes, der Lunge, Krebserkrankungen sowie Stoffwechselstörungen wie unter anderem auch der Diabetes mellitus und viele Infektionskrankheiten. Ebenso erfolgen viele geplante diagnostische Eingriffe wie Gastroskopien, Koloskopien, verschiedene Punktionen und Biopsien. 

 

Was kann man sich unter Diabetologie genau vorstellen?

Diabetes mellitus, umgangssprachlich „Zuckerkrankheit“ genannt, ist eine Stoffwechselerkrankung, welche aufgrund einer Insulinresistenz oder eines Insulinmangels entsteht. Es werden mehrere Formen des Diabetes mellitus unterschieden. Die häufigsten sind Diabetes mellitus Typ-1, Typ-2 und der Gestationsdiabetes. Mehr als 600.000 Menschen in Österreich leiden an Diabetes mellitus. Den überwiegenden Anteil mit fast 90 % stellen dabei die Typ-2-Diabetiker dar. Auslösende Faktoren stellen neben der genetischen Prädisposition vor allem der westliche Lebensstil dar. Fettreiche Ernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel. Mir persönlich liegen die Typ-1-Diabetiker sehr am Herzen. Dieser Typ wird auch als juveniler Diabetes bezeichnet, weil er meist schon im Kindes- und Jugendalter oder jungen Erwachsenenalter, meistens durch eine Autoimmunreaktion auftritt. Diese Patienten müssen rasch therapiert werden. Gemeinsam mit einem Ärzteteam und Diabetologen betreue ich seit 10 Jahren einen sehr großen Patientenstamm. Die Therapieeinstellung sowie die dazugehörige Diabetesberatung stellen eine anspruchsvolle Tätigkeit dar, welcher ich sehr gerne nachgehe. 

 

Was gibt es bei der Betreuung von Diabetespatienten für Pfleger zu beachten?

Für die optimale Betreuung und Pflege von Menschen mit Diabetes ist es unumgänglich, im interdisziplinären Team zusammenzuarbeiten. Die Abstimmung der Beratungs- und Schulungsinhalte für Patienten ist das Fundament eines gemeinsamen Therapieschemata. Ich kann in meine Arbeit als Diabetesberater jahrelanges Wissen, Erfahrungen und durch regelmäßige Fortbildungen neues Wissen mit einbringen. Dieses weitergegebene Wissen kann Patienten helfen, eine gut eingestellte Stoffwechsellage zu erreichen und somit Folgeschäden reduzieren oder vermeiden zu können. Grundlegende Schulungsinhalten sind Essen und Trinken bei Diabetes, Selbstkontrollen, ärztliche Kontrollen, korrekte Blutzuckermessung, Durchführung der Insulinverabreichung, Sofortmaßnahmen bei Hypo- und-Hyperglykämie, Verhalten in besonderen Situationen, Therapiemöglichkeiten, Folgeerkrankungen und Fußpflege bei Diabetes. Ich unterrichte in der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege das Gebiet „Diabetes mellitus“ und möchte durch den Unterricht mein Wissen an die zukünftigen Auszubildenden weitergeben. 

 

Wir haben jetzt hauptsächlich über Typ 1 und Typ 2 Diabetes gesprochen, gibt es noch andere Typen und wenn ja welche?

Neben dem häufigsten Typ-1- und Typ-2-Diabetes gibt es noch den Gestationsdiabetes. Dieser ist durch einen hohen Blutzuckerspiegel während der Schwangerschaft gekennzeichnet. Nach der Entbindung tritt bei den meisten Frauen wieder ein normaler Zuckerstoffwechsel auf. Frauen, die einen Gestationsdiabetes entwickelt haben, weisen im Verlauf der darauffolgenden 10 Jahre ein erhöhtes Risiko auf, selbst an Diabetes mellitus zu erkranken. Es werden noch einige andere spezifische Diabetes-Typen unterteilt. Dazu zählen unter anderem Einflüsse durch seltene genetische Defekte, hormonelle Störungen, Einflüsse durch Medikamente, Giftstoffe oder Infektionskrankheiten. Es gibt mehrere Unterformen des Diabetes mellitus. 

 

Was hat sich in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Diabetologie geändert?

Nicht nur in der medizinischen Therapie gibt es neue medikamentöse Therapieschemata. Auch im pflegerischen Bereich der Diabetesberatung hat sich in den letzten Jahren sehr viel zum Positiven verändert. Es gibt für die Patienten viele neue Therapie- und Beratungsmöglichkeiten. Man findet Patientenorganisationen, Selbsthilfegruppen oder Online-Foren für Menschen mit Diabetes und ihre Angehörigen. Auch seitens der Krankenkassen gibt es Schulungsangebote für Diabetiker, wie das Programm „Therapie Aktiv”, welches sicherstellt, dass Typ-2-Diabetiker optimal versorgt und behandelt werden.

Ebenso im technischen Bereich der Blutzuckermessgeräte, Insulinpens, Insulinpumpen sowie Messsysteme zur kontinuierlichen Glukosemessung entwickeln sich die Systeme weiter und erleichtern somit den Alltag mit Diabetes. Vor allem Typ-1-Diabetikern, die häufig an Unterzuckerung leiden oder eine stabilere Einstellung des Blutzuckers bevorzugen, haben die Möglichkeit, eine Insulinpumpe und ein System zur kontinuierlichen Blutzuckermessung zu kombinieren. Wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, kann sogar ein offiziell zugelassenes Hybrid-Closed-Loop-System verwenden. Darunter versteht man ein Diabetes Management System, meist in Form einer App. Diese passt die Insulinabgabe an den Glukosewert, welcher durch ein System zur kontinuierlichen Glukosemessung gemessen wird, und gibt den Input zur Insulinabgabe automatisch an die Insulinpumpe weiter.

Welche Entwicklungen bei der Diabetesbehandlung können wir in Zukunft erwarten?

Wie schon erwähnt, wird sich in Zukunft der Ausbau der sensorunterstützten Insulinpumpentherapie weiterentwickeln. Als nächstes Ziel wünsche ich mir ein von der Krankenkasse zugelassenes Full-Closed-Loop-System. Somit werden die gemessenen Glukosewerte ohne manuelle Eingaben von Mahlzeiten automatisch im Zielbereich gehalten. Davon würden vor allem Typ-1-Diabetiker profitieren. Für Typ-2-Diabetiker, welche bei erfolgloser Lifestyle-Modifikation eine medikamentöse Therapie benötigen, werden sich die Medikamente weiter verbessern. Neben den oralen Antidiabetika und der Insulintherapie spielt hier auch die Therapie mit dem Hormon GLP-1 zukünftig eine große Rolle. Diese Therapie, welche eine Injektion einmal täglich oder einmal wöchentlich erfordert, dient der Gewichtsreduktion. Somit sollten den Patienten zukünftig bariatrische Operationen erspart werden. Bei dieser Therapieform wird die Wirkung des Hormons GLP-1 hoffentlich weiter verlängert, sodass die Injektionen möglicherweise nur noch alle 3-4 Wochen durchgeführt werden müssen. 

 

Was sind Ihre Tipps für Neueinsteiger im Pflegeberuf?

Grundsätzlich würde ich empfehlen, dass jeder, der diesen Beruf erlernen möchte, sich grundlegend darüber Gedanken macht, ob es für ihn die richtige Berufswahl ist. Es gibt viele Möglichkeiten, sich im Vorfeld durch Praktika oder „Schnuppertage“ einen Einblick in das Berufsfeld zu verschaffen. Im Rahmen der Pflegeausbildung gab es in den letzten Jahren Umstrukturierungen, wie etwa den Umstieg auf ein Bachelorstudium und der neu eingeführte Beruf „Pflegefachassistenz“. Man sollte eine positive Einstellung im Umgang mit kranken und hilfsbedürftigen Menschen haben, körperlich gesund und auch in schwierigen Situationen psychisch belastbar sein. Natürlich bringt der Beruf nicht nur immer gute Seiten mit sich. Man muss oft viele Dinge gleichzeitig beachten und den Überblick behalten. Unregelmäßige Dienstzeiten, Wochenend- und Feiertagsdienste oder kurzfristige Vertretungen gehören zum Alltag. Diese Flexibilität muss man mitbringen. In den Medien wird oft viel Negatives berichtet, jedoch erlebt man im Pflegealltag tagtäglich auch sehr viel Gutes. Es ist eine sehr lebendige Arbeit mit vielen verschiedenen Aufgabenbereichen. Wir brauchen in der Pflege dringend junge, engagierte Menschen, die sich gut informiert für den Beruf entscheiden und diesen langjährig weiterführen. Ob man wirklich dafür geeignet ist, zeigt sich erst nach der Ausbildung, im Pflegealltag, oft auch erst nach einigen Berufsjahren, indem man seine eigenen Erfahrungen gesammelt hat. Abgänge schon während der Ausbildung und komplette berufliche Veränderungen nach der Qualifikation sind nicht selten. Ich arbeite mit Leidenschaft in diesem Beruf und ich könnte mir nichts anderes vorstellen.

 

Was würden Sie sich in Zukunft für den Pflegeberuf wünschen?

Ich würde mir momentan wünschen, dass mehr Personal zur Verfügung steht, um die Patientenversorgung optimal gewährleisten zu können. Der Anreiz zur Entscheidung, in den Pflegeberuf einzusteigen, sollte gesteigert und das Berufsbild höher gestellt werden. Wenn man in der Bevölkerung fragt, was die Aufgaben im Pflegeberuf sind, erhält man typische Antworten wie: „Patienten versorgen, bei der Körperpflege helfen, Übernahme der Inkontinenzversorgung“. Ja, all dies gehört natürlich zum Alltag, aber es sind viele komplexe Aufgabenbereiche, die im eigenen Team und nur in der Zusammenarbeit mit einem gut organisierten interdisziplinären Team durchgeführt werden können. Ich hoffe, dass ich zukünftig noch viele junge Menschen für den Pflegeberuf motivieren kann und die berufliche Ausbildung wieder umstrukturiert wird. Viele Interessierte, engagierte Auszubildende, welche die Menschlichkeit, das soziale Verhalten haben, mit Herz und Seele mit dem Patienten arbeiten und das dazugehörige Durchhaltevermögen haben, haben keine Matura abgeschlossen, um in die Ausbildung einzusteigen. Zudem sollte weiterhin ein Augenmerk darauf gelegt werden, dass es viele Kräfte braucht, um den Patienten fachgerecht zu versorgen. Nicht nur gehobenes Personal ist hierzu nötig, sondern vielmehr das geeignete Pflegepersonal, welche die Versorgung des Patienten und die Durchführung der Therapien übernimmt.

 

Autor: Florian Kreis 

 

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