Zurück zur Übersicht

Stereotypen in der Pflege auf den Zahn gefühlt

Ein Berufsfeld, viele Stereotype – Vorurteile über Pflegeberufe sind leider immer noch weit verbreitet, aber es ist wichtig zu erkennen, dass diese ungerecht und unsachgemäß sind. Pflegeberufe sind wichtig, anspruchsvoll und erfordern sowohl fachliches Wissen als auch soziale Kompetenzen und ein hohes Maß an Empathie. Auch wenn Zeitungen gerne Schlagzeilen über den Pflegenotstand auf ihre Titelseiten drucken oder Bekannte, die jemanden kennen, die jemanden kennen, der in der Pflege arbeitet Horrorgeschichten über Pflegeberufe erzählen, sollte man deswegen nicht sofort vor diesem Berufsfeld zurückschrecken. Jede:r, der:die sich für eine Karriere in der Pflege interessiert, sollte die Möglichkeiten und Herausforderungen in Betracht ziehen, die diese Berufe bieten. 

Vorurteil 1: In der Pflege werde ich schlecht verdienen

Dass Pflegeberufe schlecht bezahlt werden, lässt sich so pauschal nicht sagen, da der Lohn von vielen verschiedenen Faktoren abhängig ist. Beeinflusst werden kann die Höhe der Bezahlung etwa durch die abgeschlossene Ausbildung, die Fachrichtung bzw. Spezialisierung, die Anzahl an Jahren im Beruf oder die Gehaltssituation des jeweiligen Bundeslandes oder auch Arbeitgebers. Das Einstiegsgehalt für Pflege- bzw. Pflegefachassistent:innen liegt – ohne Zulagen – zwischen 1.450€ bzw. 1.500€ und 2.190€ brutto pro Monat, bei Einsteiger:innen im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege liegt es zwischen 1.570€ und 2.260€. Pflegekräfte mit einem Studienabschluss können jedoch teilweise schon mit bis zu 2.860€ rechnen. Vergleichsweise kann hier das Bruttojahreseinkommen herangezogen werden: der Median hierfür lag österreichweit für unselbstständig Erwerbstätige 2021 bei 31.407€, womit das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen für Pflegebedienstete mit 31.112€ nur knapp darunter lag. Mit steigender Berufserfahrung steigt jedoch auch das Gehalt, wobei sich hier die Schere zwischen diplomiertem Pflegepersonal und Pflegeassistenzkräften immer weiter öffnet. Nach Abschluss des neuen Kollektivvertrags werden die Löhne künftig um bis zu 10,2% angehoben werden.

 

Vorurteil 2: In der Pflege arbeiten nur Frauen

Noch immer werden Pflegeberufe als Frauenberufe angesehen und die Pflege ist tatsächlich ein Feld, in dem rund 85% Frauen und 15% Männer beschäftigt sind. Aufgrund von historischen Gegebenheiten und Geschlechterrollen, die seit Jahrzehnten in den Köpfen der Bevölkerung verankert sind, wird die Pflege als “Frauenthema” angesehen. Es ist ein Bild, das nicht mehr zeitgemäß ist und aufgebrochen werden muss. Eine Initiative, die versucht dieses Klischee aufzubrechen, ist der jährlich stattfindende “Boys’ day”. An diesem Aktionstag, der vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ins Leben gerufen wurde, können Schüler verschiedene soziale Einrichtungen besuchen, sich mit männlichen Vorbildern aus dem Bildungs-, Gesundheits- und Pflegebereich austauschen und diverse Workshops besuchen. Vor allem aber werden an diesem Tag das Berufswahlverhalten junger Männer in den Mittelpunkt gestellt, die guten Job- und Karrierechancen für junge, engagierte Männer präsentiert und versucht, die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren, dass Burschen, die sich für einen Beruf in einer Branche – in der Männer unterrepräsentiert sind – entscheiden, einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Auch die EU-Kommission möchte Pflegeberufe für Männer attraktivieren, etwa durch stärkere Tarifbindung, bessere Löhne und den Abbau von Geschlechterklischees im Berufsfeld. Der Wunsch nach mehr Männern in Pflegeberufen ist sehr groß. Einerseits um die Pflege weiter zu diversifizieren und um das Arbeiten in einem gemischten Team anzutreiben. Andererseits, weil Männer andere physische und psychische Voraussetzungen als Frauen mitbringen, die in dieser Branche ebenfalls von Vorteil sind.

 

Vorurteil 3: Die Pflegeberufe sterben aus

Dass die Pflegebranche und Pflegeberufe aussterben, stimmt definitiv nicht – Ganz im Gegenteil: Es wird händeringend nach Pflegekräften gesucht, jährlich werden neue Ausbildungen angeboten und auch in den kommenden Jahren wird die Nachfrage nach qualifiziertem Pflegepersonal steigen. Laut der Pflegepersonal-Bedarfsprognose, welche vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durchgeführt wurde, stehen im Gesundheits- und Sozialbereich in den nächsten Jahren aufgrund demografischer Entwicklungen grundlegende Herausforderungen bevor. Einerseits kommt es aufgrund steigender Lebenserwartung zu einem Anstieg von alten und hochbetagten Menschen. Andererseits verkleinert sich gleichzeitig die Gruppe an jüngeren Personen, die in einen Beruf einsteigen und damit auch die Gruppe, die für einen Berufseinstieg in der Pflege und Betreuung ausgebildet werden kann. Um für diese anbahnende Herausforderung gewappnet zu sein, sieht das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz verschiedene Maßnahmen vor: die Attraktivierung von Pflegeberufen, die Senkung von Drop-Out-Raten während den Ausbildungen und die nachhaltige Gestaltung von Informationstagen, Schnuppertagen oder Praktika sind nur einige davon.

 

Vorurteil 4: In Pflegeberufen gibt es keine Aufstiegsmöglichkeiten

Dass es in Pflegeberufen keine Weiterbildungsmöglichkeiten gibt, stimmt nicht. Ein einmal gewählter Pflegeberuf bedeutet noch lange nicht, dass man die oberste Stufe der Karriereleiter erreicht hat. Sowohl für Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege als auch für Pflege(fach)assistent:innen gibt es einige Weiterbildungs-, Fortbildungs- oder Spezialisierungsangebote, die auch zu höheren beruflichen Einstufungen führen. Die verschiedenen Sonderausbildungen und Spezialisierungen werden in vielen unterschiedlichen Bereichen angeboten, darunter beispielsweise Krankenhaushygiene, Intensivpflege bis hin zu Hospiz- und Palliativversorgung. Diese Ausbildungen sind mit Zeitaufwänden zwischen 800 Stunden und 90 ECTS (was über 2.000 Stunden entspricht) bemessen. Zudem werden Weiterbildungen, die zur Wissensvertiefung dienen, im Zeitausmaß von mindestens vier Wochen bzw. 160 Stunden angeboten. Unter diesen Themenbereichen befinden sich etwa Kinästhetik, Diabetesberatung oder die Hauskrankenpflege. Bei den Weiterbildungsangeboten für Pflegeassistenzberufe werden vor allem Spezialisierungen für die Pflege von bestimmten Personengruppen angeboten – beispielsweise in der Pflege für chronisch Kranke, Kinder und Jugendliche oder Demenzpatient:innen.

Vorurteil 5: Die Arbeit in der Pflege ist einseitig

Aussagen wie “In der Pflege machst du jeden Tag nur …” oder “In der Pflege verrichten eh alle Beschäftigten die gleiche, monotone Arbeit” sind leider weit verbreitet und werden verwendet, um Berufe in der Pflege als einseitig zu beschreiben. In der Realität umfassen Beschäftigungen in der Pflege aber ein deutlich größeres Aufgabenfeld, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Wie breit gefächert Berufe in der Pflegebranche sind, zeigt sich bereits an den angebotenen Aus- und Weiterbildungsangeboten. An österreichischen Fachhochschulen werden sehr viele Studiengänge im Bereich Pflege angeboten, das Angebot erstreckt sich hier von Gesundheits- und Krankenpflege Studiengängen, nach denen man den Titel “Diplomierte:r Gesundheitskrankenpfleger:in” tragen darf, über spezielle Formen der Therapie, wie etwa Ergo- oder Physiotherapie, hin zu Hebammenwesen oder auch Studien abseits der “typischen” Vorstellung der Pflegebranche mit Schwerpunkt auf Gesundheitsinformatik. Unterschiedliche Weiterbildungen dienen zur Wissensvertiefung und Spezialisierung in verschiedenen Teilbereichen. Auch im Beruf selbst warten viele unterschiedliche Aufgabenbereiche, auf die man in der Ausbildung entsprechend vorbereitet wird. Neben der Versorgung und Hilfe von Kranken können auch Berufe in Teilbereichen wie Pflegemanagement, Beratung, Pflegepädagogik und Pflegebildung oder auch Betriebswirtschaft ausgeübt werden. Aber auch Pfleger:innen erfüllen mehr als die Versorgung und Betreuung von Kranken: Unter ihren Aufgaben befinden sich auch das Qualitätsmanagement in Pflegeeinrichtungen, Managementaufgaben, die einen reibungslosen Ablauf gewährleisten sollen oder auch die Hilfe und Beratung für Angehörige.

 

Vorurteil 6: In der Pflege arbeiten viele ausländische Personen

Die Daten und Zahlen bezüglich im Pflegesektor angestellten Personen in Österreich sind sehr rar und meistens auch veraltet, selbiges gilt auch für Daten über Pflegepersonen aus dem Ausland. Zusätzlich erschwerend kommt dazu, dass Begriffe wie “Personen mit Migrationshintergrund” oder “Ausländer:innen” nur unzureichend abgegrenzt werden. Durch das Zusammenspiel dieser Faktoren fällt es schwer, ein solches Stereotyp zu be- bzw. widerlegen.

Die Beschäftigung von ausländischen Pflegekräften ist in Österreich auch historisch bedingt. Bereits seit den 1960er-Jahren wurden hierzulande bewusst ausländische Pflegekräfte angeworben, um dem Pflegepersonalmangel entgegenzuwirken. Einen großen Einfluss auf diese Ab- bzw. Zuwanderungen von Pflegepersonen hatten und haben noch immer Push- und Pullfaktoren. Einige Motive für die Immigration nach Österreich waren unter anderem eine bessere Bezahlung, sichere Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit, reale berufliche Aufstiegschancen, aber auch die gute Lebensqualität oder die politische Stabilität. Auch in den 1990er-Jahren, als es durch Einsparungen im Gesundheitswesen zu einem erneuten Mangel an Pflegepersonal kam, wurde das Anwerben von ausländischem Pflegepersonal zusätzlich verstärkt.

Was sich über ausländische Personen in der Pflege und freiwillige Arbeitsmigration jedoch sagen lässt, ist, dass viele Voraussetzungen und Auflagen erfüllt werden müssen, um überhaupt die Erlaubnis zur Berufsausübung zu erlangen. Geregelt werden diese Bestimmungen im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG). Ausländische Personen haben in ihrem Herkunftsland bereits eine spezifische Pflegeausbildung positiv abgeschlossen – somit auch die nötige Berufspraxis gesammelt – und ein gültiges Aufenthaltsrecht im Zielland. Durch diese strenge Reglementierung kommt es für Österreich als Zielland zu einem Zuwachs an Leistungspotential – auch oft “Brain Gain” oder Talentzuwanderung genannt – und einem Wissenstransfer. Trotz allem stellt das gezielte Anwerben von ausländischen Pflegekräften keine langfristige Lösung zur Bekämpfung des Pflegepersonalmangels dar.

 

Vorurteil 7: Wer ein Pflegestudium wählt, war “zu dumm für ein Medizinstudium”

Es ist kein Geheimnis, dass das Zulassungsverfahren für das Medizinstudium an österreichischen Universitäten sehr strikt geregelt ist, einem enormen Lernaufwand bedarf und sehr viele Bewerber:innen jedes Jahr um die stark beschränkte Anzahl an Studienplätzen kämpfen. 2022 standen 15.788 für den Medizin-Aufnahmetest angemeldete Personen 1.850 verfügbaren Studienplätzen gegenüber – das entspricht einer Quote von 11,7%. Nur, weil eine Person keine Zulassung zum Medizinstudium erhält, heißt das noch lange nicht, dass er:sie dumm ist – selbiges gilt auch für die Wahl eines pflegebezogenen Studiums. Allgemein lassen sich das Medizinstudium und Pflegestudien sehr schwer bis gar nicht miteinander vergleichen, da diese zum einen sehr unterschiedliche Curricula haben, die ihre Schwerpunkte auf teils komplett andere Themen legen und die Ausbildungen sich zum anderen auch in der Organisation und Dauer deutlich voneinander unterscheiden. Wer ein Pflegestudium absolviert, ist also bestimmt nicht “zu dumm für ein Medizinstudium”, sondern hat sich bewusst für ein solches und die darin vermittelten Inhalte und Fähigkeiten entschieden.

 

Autorin: Christina Pschorr

 

Karriere mit Perspektive - Starten Sie jetzt durch!