In den letzten Jahren hat sich die Bevölkerungsstruktur in Österreich dahingehend geändert, dass Menschen im nicht-mehr-erwerbsfähigen Alter, also 65 Jahre und älter, sowohl zahlen- als auch anteilsmäßig stark zugenommen hat, während die Zahl und der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren in vielen Teilen Österreichs gesunken ist. Die alternde Gesellschaft und das immer komplexer werdende Gesundheitssystem stellt die Bevölkerung vor neue Herausforderungen. Neben fehlenden finanziellen Ressourcen, führt auch der Fachkräftemangel zu umfangreichen Versorgungsproblemen.
Um den Bedarf an vermehrter Pflege und Versorgung der älteren Bevölkerung abzudecken wird sehr viel informelle Pflege von Familienangehörigen, Freunden oder Nachbar:innen geleistet, was jedoch aufgrund der zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen, die primär für Pflegeleistungen zuständig sind, und dem veränderten Pflegebedarf in Form von komplexeren Krankheitsbildern nicht mehr, oder nur noch schwer möglich ist. Auch die Wohnformen haben sich im Laufe der Jahre verändert und es leben immer mehr Menschen in Singlehaushalten und oftmals auch weit entfernt von näheren Angehörigen, sodass Unterstützung im Alltag nur schwer möglich ist.
Das Konzept der Community Nurses
Zur besseren Bewältigung der Herausforderungen in der Pflegeversorgung wird das Konzept der Community Nurse (CN) oder auch Community Health Nurse (CHN), sowie der Primärversorgungszentren integriert. Das Ziel ist hierbei ein niederschwelliges Angebot der Gesundheitsförderung und -betreuung in Gemeinden und Nachbarschaften zu etablieren. Denn die österreichische Regierung hat sich die Sicherstellung eines modernen und menschengerechten Pflegesystems inklusive der notwendigen Rahmenbedingungen zum Ziel gemacht. Mit dem Konzept der CN und der Primärversorgungszentren wird hierbei die Koordination von informellen und professionellen Pflege- und Betreuungsangeboten in Fachhände übergeben, um eine qualitätsvolle Pflege und evidenzbasierte, menschenwürdige Versorgung gewährleisten zu können.
Was sind Community Nurses?
Community Nurses sind diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mit mindestens zwei Jahren Berufserfahrung und einem public-health-bezogenen, pflegespezifischen Tätigkeitsbereich. Sie erheben die Bedürfnisse der Bevölkerung und setzen präventive, gesundheitsförderliche Maßnahmen in der Gemeinde um. Dabei arbeiten sie im niedergelassenen Bereich, zum Beispiel in einer Ordination, einem Stützpunkt, oder einem neu etablierten Primärversorgungszentrum. Die CN nimmt hier eine Gatekeeper-Funktion ein, was bedeutet, dass sie Vermittler:in zwischen Patient:innen, Angehörigen und verschiedenen Gesundheitsdienstleister:innen ist. Diese Funktion ist wichtig, da sich die Langzeitpflege in Österreich in einen stationären, teilstationären und mobilen Sektor unterteilt und es zusätzlich noch weitere unterstützende Maßnahmen, wie z.B. Case- und Caremanagement oder Palliativbetreuung gibt. Die vielen Schnittstellen und unterschiedlichen Zuständigkeiten führen vermehrt zu Informationslücken, Unsicherheiten, Widersprüchlichkeiten, mangelnder Koordination und damit einhergehend zu Überforderung der Betroffenen und deren Angehörigen. Somit sind Community Health Nurses zentrale Ansprechpersonen, die in den Bereichen Vermittlung, Vernetzung und Koordination, sowie Beratung und Schulung aktiv werden. Im Mittelpunkt dieses neuen Versorgungskonzeptes steht daher zusammengefasst die klientenzentrierte, ressourcenorientierte und autonomiefördernde Pflege und Betreuung.
Welche Ziele werden durch die Etablierung von Community Nurses verfolgt?
Im Zuge des österreichischen Aufbau- und Resilienzplans werden gesamt 54,2 Millionen Euro seitens der Europäischen Kommission zur Umsetzung der Community Nurses zur Verfügung gestellt. Die Projekte laufen von 2022 bis 2024 und es wurden insgesamt 145 Förderanträge aus Gemeinden und Städten eingereicht. Ziel der Projekte ist die Etablierung von 150 Community Nurses in allen Bundesländern, so wie dies auch international bereits umgesetzt wird. Die Bezeichnung Community Nurse wird zwar sehr unterschiedlich eingesetzt, allgemein kann sie jedoch als sogenannte sozialraumorientierte Dienstleistung verstanden werden, die entweder zu Hause und/oder wohnortnah angeboten wird. Die Ziele sind hierbei klar vorgegeben und beinhalten:
- das Wohlbefinden, die Autonomie und die Lebensqualität fördern,
- den Verbleib im eigenen Zuhause so lange wie möglich zu gewährleisten, indem die Gesundheitskompetenzen und die Selbsthilfe gestärkt werden,
- eine integrierte Pflegeversorgung aufgrund individueller Bedürfnisse,
- gesunde Lebensjahre fördern,
- alters- und krankheitsbedingte Probleme wie Einsamkeit und soziale Isolation reduzieren,
- und lokale/regionale Gesundheits- und Pflegenetzwerke miteinander vernetzen.
Die Pilotprojekte werden nach Ablauf evaluiert und stellen die Grundlage für weitere Änderungsprozesse in der Versorgungslandschaft dar.
Die zuvor genannten Primärversorgungszentren basieren auf den gesetzlichen Bestimmungen des § 4 des PrimVG und sind bereits fixer Bestandteil der österreichischen Gesundheitsreform. Sie bestehen aus einem Kernteam aus Ärzt:innen, Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger:innen und gegebenenfalls noch weiteren Teammitgliedern aus anderen Berufsgruppen wie der Psychotherapie, Logopädie, Diätologie, Ergotherapie, Psychologie, Hebammenhilfe und Sozialarbeit. In den bisher 37 etablierten Primärversorgungszentren in ganz Österreich wird Menschen eine erste Anlaufstelle für eine allumfassende Gesundheitsversorgung geboten. In Zukunft sollen die beiden Konzepte der Community Nurse und der Primärversorgungszentren ineinandergreifen, um den aktuellen Schwierigkeiten der gesundheitlichen Vor- und Versorgung aller Menschen mit einem neuartigen Konzept begegnen zu können.
Quellen:
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für Gerontologie und Geriatrie, 51, 791–798.
https://doi.org/10.1007/s00391-017-1323-2