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Das Konzept der basalen Stimulation

Mit der Grundidee, dass es über Berührungen des Körpers gelingen kann, Menschen zu erreichen, um damit eine Wahrnehmung herbeizuführen und zeitgleich einen elementaren Kommunikationsweg zu gestalten, kreierten Andreas Fröhlich und Christel Bienstein in den 1980er-Jahren das Konzept der Basalen Stimulation. Sowohl bei schwerstbehinderten Menschen, als auch im Pflegesetting wird dieses pädagogisch-therapeutische Förderkonzept seit Jahren erfolgreich angewendet. Dabei ist es nicht ein fertig formuliertes und endgültiges Therapie- bzw. Pädagogikvorhaben, sondern ein wesentlicher Grundgedanke, der immer wieder adaptiert werden kann und muss. 

Im Zentrum dabei steht die menschliche Begegnung, die

  • Gesundheit und Wohlbefinden
  • Autonomie und Selbstbestimmung,
  • sowie Bildung und gemeinschaftliche Teilhabe

der angesprochenen Person fördern, erhalten, oder unterstützen soll.

Anwendungsgebiete der basalen Stimulation

Menschen mit beeinträchtigter Wahrnehmung, Bewegung und/oder Kommunikation können von basaler Stimulation profitieren. Aber auch desorientierte alte Menschen, weswegen die basale Stimulation in der Pflege Anwendung findet. Man unterscheidet hierbei zwischen belebender und beruhigender basaler Stimulation und man kann sie in alltäglichen Situationen, wie zum Beispiel der Körperpflege, integrieren. Der Begriff Basal bezieht sich hierbei auf Berührungen, welche als Reiz aufgenommen werden. Stimulation meint Reizangebot, das von Menschen verspürt wird. Die unterschiedliche Anzahl, Art, Dauer und der Rhythmus können stimulierend oder auch beruhigend wirken.

Aber nicht nur die Situationen, wo man es anwenden kann, sind breit gefächert. Auch die Arten der Sinnesanregung variieren zwischen:

  • Taktil-haptischer Stimulation – den Tastsinn mit gezielten Berührungen anregen (Massagen, Streicheln, Berühren und Greifen verschiedener Oberflächen und Gegenstände)
  • Visueller Stimulation – die visuelle Wahrnehmung durch optische Reize stimulieren (Lampen, Bilder, Fernseher, etc.)
  • Auditiver Stimulation – den Hörsinn durch Klänge oder Musik anregen (Reden, Singen, Musik, Naturklänge, etc.)
  • Olfaktorischer Stimulation – den Geruchssinn durch Düfte wecken (Duftkerzen, Gewürze, ätherische Öle, Blumen, etc.)
  • Gustatorischer Stimulation – den Geschmackssinn durch verschiedene Geschmacksstoffe aktivieren (verschiedene Speisen und Getränke)
  • Vibratorischer Stimulation – Körpertiefe und -fülle durch Vibration erfahren (Massagestäbe, Vibrationsalarm eines Telefons, Musikinstrumente wie Trommeln)
  • Vestibuläre Stimulation – die Wahrnehmung des eigenen Körpers im Raum durch Gleichgewichtsübungen oder veränderter Lagerung

 

Kooperation, Empathie und Respekt als Grundvoraussetzung

Alle diese Reize sollen den zu betreuenden Personen dabei helfen, den eigenen Körper wahrzunehmen und zu spüren. Außerdem ist es eine Möglichkeit der nonverbalen Kommunikation. In jedem Fall stellt basale Stimulation aber immer ein Angebot dar. Die notwendige Kooperation lässt sich nicht erzwingen, aber durch Beachtung der wichtigsten Grundlagen kann eine gute Basis geschaffen werden:

  • Ein fester Rhythmus hinsichtlich Zeiten für Aktivitäten und Ruhe dient der Orientierung und schafft Vertrauen.
  • Angepasste Lebens- und Lernräume ermöglichen Orientierung.
  • Eine persönliche und vertrauensvolle Beziehung durch wertschätzenden Umgang.
  • Aktive Beteiligung bei Alltagsaktivitäten fördert Orientierung und Routine.
  • Gute Organisation und Planung des Interaktionsangebotes.

 

Der Austausch von Menschen mit ihrer Umwelt ist nicht nur ein Weg um miteinander zu kommunizieren, sondern es können dadurch auch Ängste und Stress gemindert werden. In vielen Untersuchungen fand man heraus, dass soziale Unterstützung zu einer Erhöhung des Bindungshormons Oxytocin führt, was gesundheitsförderliche und stressmindernde Effekte mit sich bringt. Durch unterstützende Hilfestellungen bei Fortbewegung, in unterschiedlichen Lebenslagen und auch beim Ausdruck bestimmter Bedürfnisse kann eine empathische und respektvolle Begegnung Unsicherheiten und bisherige negative Erfahrungen überschreiben und die Aktivitäten für pflegebedürftige Menschen und Pflegende angenehmer machen. Ein gutes Beispiel ist hier die Körperpflege, die vielfach viel zu schnell, mit fehlendem Respekt und ohne Wertschätzung durchgeführt wird. Gerade in diesem intimen Pflegevorgang kann jedoch mittels Basaler Stimulation eine angenehme Atmosphäre geschaffen werden. Während der Pflege der pflegebedürftigen Person ins Gesicht zu sehen ermöglicht einerseits ein Ablesen der Mimik und bietet zeitgleich ein Gefühl von Sicherheit. Durch Eincremen mit Duschgel oder Lotion wird den Menschen eine haptische Stimulation geboten und so kann der eigene Körper wahrgenommen werden. Während des Prozesses können Duftreize durch bestimmte Pflegeprodukte gesetzt werden, oder auditive Anreize in Form von Gesprächen, Wasser plätschern, etc. geboten werden.

Basale Stimulation ist viel mehr als eine isolierte Reizzufuhr

Bei der Basalen Stimulation geht es nicht um eine isolierte Reizzufuhr in einzelnen Sinnesbereichen. Vielmehr geht es um eine ganzheitliche Förderung von Potenzialen und Ressourcen, sowie einer wertschätzenden Grundhaltung, mit der man den Menschen begegnet. Dabei soll die Stimulation stets positive und angenehme Gefühle auslösen, weswegen der richtige Zugang mit großer Sorgfalt und Geduld gewählt werden muss. Durch wertschätzenden Umgang und positive Erfahrungen erfahren pflegebedürftige und eingeschränkte Menschen, dass sie vollständig akzeptiert werden und erlangen Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Hierbei ist es gerade für Pflegende wichtig zu verstehen, dass jeder Mensch seine eigene Art und seine individuelle Ausdrucksweise hat, was jede Begegnung einzigartig und jede zwischenmenschliche Interaktion unterschiedlich macht. Nimmt man die Person vollständig wahr und fühlt sich in sie hinein, um deren Vorgehen nachzuvollziehen, verändert man dadurch nachhaltig die Qualität der Beziehung zueinander. Denn für pflegebedürftige Menschen kann dieser Ansatz die erstmalige Erfahrung sein, dass sie bedingungslos akzeptiert und wertgeschätzt werden. Dieses Erlebnis führt zu Offenheit gegenüber den Erfahrungen, die sie im Zuge der Basalen Stimulation erfahren.

Quellen

 Bienstein, C., & Fröhlich, A. (2021). Basale Stimulation in der Pflege: Die Grundlagen (9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage). Hogrefe. https://doi.org/10.1024/86043-000

Pickenhain, L. (2000). Basale Stimulation: Neurowissenschaftliche Grundlagen (2. Aufl). Verl. Selbstbestimmtes Leben.

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