Der Pflegefachassistent Ulrich H. ist 25 Jahre alt und kommt aus Voitsberg in der Steiermark. Seine Berufsbezeichnung gibt es erst seit 2016 und dementsprechend wenige Pflegefachassistent:innen gibt es heute. Ulrich H. hat 2020 die zweijährige Ausbildung zum Pflegefachassistenten absolviert und arbeitet seither für ein Pflegeheim und kümmert sich dort um 41 geriatrische, forensische und psychiatrische Klient:innen.
Was ist denn dein Tätigkeitsbereich? Wofür bist du zuständig?
Mein Aufgabenbereich ist, dass ich das diplomierte Fachpersonal unterstütze, dass ich mich um die Patienten kümmere und ich darf halbeigenmächtige Handlungen setzen. Das heißt, in manchen Bereichen darf ich eigenmächtig handeln, in anderen Bereichen muss ich Rücksprache mit dem Diplompersonal halten. Rücksprache halte ich zum Beispiel bei der Einfuhr von Medikamenten. Ich darf nämlich Medikamente verabreichen, aber ich darf sie nicht für die Patienten herrichten.
Ich wasche meine Klienten, gehe mit ihnen aufs WC und helfe auch bei der Zimmerpflege meiner Klienten mit. Außerdem führe ich die Vitalmessungen meiner Klienten durch. Ein weiterer Aufgabenbereich ist die Unterstützung der Therapie. Und ja, manchmal teile ich auch Kaffee aus.
Aus welchem Grund bist du in die Pflegebranche gegangen?
Ich habe meinen Zivildienst beim Roten Kreuz gemacht und das hat mir sehr gut gefallen. Mir hat der Kontakt mit den Menschen getaugt, das war lustig, und deshalb bin ich dann in die Pflege gegangen. Zuerst habe ich überlegt, ob ich Doktor werden will, aber das wäre mir zu viel Arbeit gewesen und da hätte ich weniger mit den Patienten zu tun.
Was für Menschen sind das, die du pflegst?
Wir haben zum Teil geriatrische Patienten, also alte Menschen. Unser Haus war zuerst ein Altersheim und davon sind noch geriatrische Patienten bei uns, bis sie sterben. Wir haben einen Teil psychiatrische Klienten, da haben wir alles dabei von Schizophrenie über Psychosen und sämtliche Persönlichkeitsstörungen. Das sind Menschen, die gepflegt werden müssen aus welchem Grund auch immer. Die meisten sind körperlich fit, nur brauchen sie mental Hilfe, weil sie nicht allein leben können. Unsere älteste Klientin ist 93 Jahre alt, unser jüngster Klient ist 23 Jahre alt. Das Durchschnittsalter schätze ich bei etwa 50 Jahren. Und wir haben forensische Klienten, das sind die im Strafvollzug. Da ist das Durchschnittsalter auch um die 50 Jahre, aber wir haben auch einen Klienten, der ist 75 Jahre alt.
Was ist deine Motivation, seit Oktober 2020 in deinem Beruf zu arbeiten?
Ich mein, das Geld ist es nicht. Ich komme mit den Zulagen auf € 2.000 netto im Monat. Ich finde, mehr könnte ich schon verdienen. Aber ich habe mein Team echt gern, wir verstehen undssuper und reden offen miteinander. Als ich während der Ausbildung Praktika absolviert habe, habe ich andere Arbeitsteams kennengelernt, das war ganz was anderes. In meinem Job im Pflegeheim kann ich mich auf meine Kollegen verlassen und wir schätzen einander wert. Außerdem mag ich meine Klienten und die Arbeit ist fünf Minuten von mir zu Hause entfernt.
Hast du mit der Führungsebene auch so ein gutes Verhältnis?
Wir hatten vor kurzem einen Wechsel in unserer Führungsebene aufgrund verschiedener Probleme. Jetzt legt die Führungsebene viel Wert auf Kommunikation auf derselben Augenhöhe. Meine direkten Vorgesetzten, also Stationsleitung und Pflegedienstleitung, achten auch auf gute Kommunikation und mit den höheren Leitungen habe ich keinen Kontakt, das muss aber auch nicht sein. Das sind meine Chefs, mit denen muss ich nicht beste Freunde sein.
Was sind die großen Schwierigkeiten in deinem Alltag?
Die großen Schwierigkeiten sind hauptsächlich im Umgang mit den Klienten. Manche wollen ihre Tabletten nicht nehmen, manche wollen keine Zimmerreinigung durchführen und andere weigern sich, auf´s WC zu gehen. Manchmal halten Patienten auch Sachen vor uns geheim, wenn sie sich Essen bestellen oder wenn sie Briefe von der Post bekommen, die wir Pfleger eigentlich gemeinsam mit ihnen öffnen sollten.
Wir hatten einmal einen Patienten, der abgehauen ist, ohne sich abzumelden. Da mussten wir dann die Polizei anrufen, aber das ist eher die Ausnahme. Mit der Polizei erzeugst du Spannung und die Aufgabe von uns Pflegeassistenten ist es, deeskalierend zu arbeiten. Wir erheben unsere Stimme nicht und geben den Patienten Raum. Wir schauen auch, dass wir nicht in die Ecke gedrängt werden und dass wir Patienten nicht in die Ecke drängen.
Wie hast du gelernt, mit schwierigen Situationen umzugehen?
Das meiste habe ich in der Ausbildung gelernt, aber die Erfahrung kommt dann vom Beruf. Ich hatte während der Ausbildung ein einmonatiges Praktikum in der geschlossenen Psychiatrie, dort habe ich sehr viel gelernt. In Vorträgen haben Ärzte uns auch einiges beigebracht.
Welche Fähigkeiten, die du in deiner Ausbildung und deinem Beruf gelernt hast, nützen dir in deinem Alltag und in deiner Freizeit?
Ich habe gelernt, auch in stressigen Situationen einen ruhigen Kopf zu bewahren. Ich bin jetzt selbstbewusster und selbstsicherer und ich kann natürlich Erste Hilfe und weiß, was zu tun ist, wenn etwas Gesundheitliches passiert. Bei meiner Familie spiele ich gerne Hausarzt, das ist ein bisschen eine Ehre.
Was war seit deinem Arbeitsbeginn deine größte Herausforderung?
Einmal gab es die Situation, dass wir einen Klienten einweisen mussten. Ich habe diesen Klienten sehr gern und er ist auf der Station, für die ich hauptsächlich zuständig bin, wo ich einer der Hauptverantwortlichen bin. Ich kenne diesen Klienten sehr gut und dann gab es den einen Tag, an dem er eine extrem schlechte Verfassung hatte. Das Bett war vollgenässt und der Boden war volluriniert, was sehr untypisch für ihn ist. Er hat dann alle Pflegehandlungen abgelehnt und mich angeschrien. Dann hat er keine Tabletten mehr genommen und wir haben gesagt, wir können ihn nicht mehr bei uns behalten. Wir mussten ihn anschließend bei der Polizei einweisen und das war ein riesiger Aufwand, denn wenn die Polizei kommen muss, eskaliert das die Situation sofort. Nach einigen Wochen in der geschlossenen Psychiatrie ist er zurück in unser Pflegeheim gekommen. Größtenteils normal, aber ein bisschen hat er sich charakterlich verändert. Jetzt bekommt er eine Tablette mehr täglich.
Was müsste passieren, damit du kündigst?
Da müsste es mit den Kollegen nicht passen und ich müsste in der Arbeit stark eingeschränkt werden. Damit ich kündige, müsste ich mich nicht mehr respektiert und wohl fühlen und das Gefühl haben, dass ich nicht mehr alles für meine Klienten tun dürfte. Aber da müsste viel passieren, denn ich mag meine Klienten und das Arbeitsteam gefällt mir gut. Geld wäre in erster Linie kein Kündigungsgrund für mich, auch nicht in zweiter Linie. Erst wenn mein Gehalt um € 500 gekürzt wird, würde ich mich fragen, was das soll. (lacht) Ich gehe sehr gerne arbeiten.
Welche Vorurteile, die du von der Pflegebranche kanntest, haben sich für dich bewahrheitet?
Das ist jetzt kein Vorurteil, aber ich habe oft den Satz gehört: „Es kommt von den Patienten so viel zurück.“ Das stimmt zwar nicht immer, aber schon sehr oft.
Ich habe gerade das Bild im Kopf von der jungen Pflegerin, die mit einer Patientin im Rollstuhl im Park spazieren fährt. Das kann zwar vorkommen, die Realität sieht aber oft anders aus. Häufiger muss ich Patienten den Hintern säubern, weil sie sich vollgekotet haben, als dass ich spazieren gehe. Ich habe die Zeit nicht, mit einer Patientin Schach zu spielen, wenn wir in jeder unserer drei Stationen etwa zwölf Patienten haben, die auch betreut werden müssen.
Autorin: Viktoria Frühwirth